"Waond me wecksch"
Eine Begebenheit zwischen Berthold Schuldt und dem Sozialisten und Steinhauer Christian Weiss.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war
die SPD die größte und bestorganisierte Partei. Die Politik
dieser Partei vertrat auch Berthold Schuldt. Er selbst war als lohnabhängiger
Steinhauer Mitglied im Steinhauerverband, der auf dem Gebiet des Lohnkampfes
aktiv war. Wenn sich Schuldt mit Christian Weiss - seinem Landsmann, Berufskollegen
und politisch Gleichgesinnten - unterhielt, ging es meistens um ein Thema:
Die Einführung des Acht-Stunden-Tages im Jahre 1918. Und die beiden
Männer wussten damals schon, dass eine Arbeiterorganisation, die nicht
streitet, den Beitrag nicht wert ist. Der Sozialist Christian Weiss war
ein Verehrer von Ferdinand Lasalle, dem Arbeiterführer (1825-1864),
der den Deutschen Arbeiterverein, einen Vorläufer der SPD, gründete.
In der Wohnstube von Christian Weiss zierte das Bildnis von Lasalle den
Raum, und darunter befand sich ein Transparent mit den Kampfworten aus
dem kommunistischen Manifest: "Proletarier aller Länder - vereinigt
euch!"
Wer war Christian Weiß?
Er war ein qualifizierter Steinhauer.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er durch Bürgermeister Heinle als
Feld- und Waldhüter eingesetzt. Weiss hatte einen hohen Gerechtigkeitssinn
und ein stark ausgeprägtes Pesönlichkeitsbewusstsein. Er scheute
sich nicht, den Mund aufzumachen, wenn es sich um die Durchsetzung von
Arbeiterinteressen handelte. Durch sein lauteres Wesen und politisches
Engagement fiel er jedoch in Ungnade und wurde als politischer Gefangener
in Rastatt festgehalten. Dort befand sich in der Garnison auch sein Schulkamerad
Friedrich Wilhelm Seeburger, der, weil er bei dessen Eintreffen einen Blick
zu seinem Landsmann wagte, drei Tage Bau bekam. Das war im Jahre 1908.
Christian Weiss kämpfte als Soldat
in Russland während des Ersten Weltkriegs. Für einen kleinen
Verstoß gegen irgendwelche Vorschriften bekam er drei Wochen Arrest.
Da er diesen Arrest aus Zeitgründen nicht antreten konnte - er mußte
an die Front - hat man ihn ans Geschützrad gebunden.
Von Christian Weiss stammt noch folgende
Geschichte:
Er hatte seine Frau beauftragt, ihn
in der Nacht zu wecken, wenn er Durst habe. Auf die Frage der Frau Gemahlin:
"Ja, wann hast du Durst?" antwortete ihr Angetrauter lakonisch: "Waond
me wecksch".
Christian Weiss verstarb im Jahre 1932.
Die Trauerrede hielt Gewerkschaftsführer
Koch aus Karlsruhe. U. a. soll er auch folgende Worte gesagt haben: "Macht
euch das Leben gut und schön, kein Jenseits gibts, kein Wiedersehen".