Ein Mensch und seine Zeit
Berthold Schuldt ist in Sulzfeld als "Original" in die Dorfgeschichte eingegangen. Seine Erzählkunst, seine "Schbrich", treffend-frisch, seine Spässe, seine eigene Sprache - er näselte etwas -machten ihn zu einem liebenswerten Menschen. Für unser Dorf war er ein Geschenk, und er war immer und überall ein gern gesehener Gast.
"Däbbele", war sein Wort, das er immer im Munde führte
und mit dem seine witzigen und humorvollen Sprüche schmückte.
So soll er uns in Erinnerung bleiben. Ebenso auch, wie er seinem Gewand,
einem ländlichbäuerlichen Jackett, sozusagen im "Siebentaschenkittel",
die beiden Hände tief in die ausgefütterten Taschen gegraben,
die Prinz-Heinrich-Mütze in die Stirn gezogen, seinen Weg durch das
Dorf nahm, um die Kirchenuhr und die Schuluhr zu warten. So ging der Alte,
der auch Musiker und Dirigent war, von Zeit zu Zeit im Takt seiner Schritte
vor sich hinpfeifend, mit schlurfenden Geräuschen tagein, tagaus seiner
Pflicht nach.
Einem kühlen Krug Weigert-Bier, einem guten Viertel oder einem
Glas Most war er nicht abgeneigt.
Berthold Schuldt erlernte bei Steinhauermeister Jakob Johann Kern
den Beruf des Steinhauers. Bewundert wurde Schuldts Beidhändigkeit,
eine äußerst selten vorkommende Eigenschaft bei einem Steinhauer.
Nach dem ersten Weltkrieg betrieb er zusammen mit dem Steinhauermeister
Christian Schmidt ein eigenes Geschäft, was sich zunächst auch
gut anließ. Als aber einige ihrer Stammkunden zahlungsunfähig
wurden, ging der Steinbruchbetrieb Schmidt/Schuldt in Konkurs.
Immer mehr zeichnete sich daraufhin ab, daß sich sein Talent
nicht nur auf den Umgang mit Meißel und Klöpfel beschränkte.
Im Gegenteil: auf ganz anderen Gebieten erbrachte er hervorragende Leistungen,
auf Gebieten, die Sensibilität, Einfühlungsvermögen, Kreativität
und filigranes handwerliches Geschick erforderten. Er wurde zum universell:
Uhrmacher, Optiker, Friseur, Mechaniker, Dirigent und Kapellmeister waren
die Spektren, die im vertraut waren und die er liebte - vor allem die beiden
letzten.
(Sein Multitalent wurde bei einer Bürgerrunde in Sulzfeld,
live im 1.Programm des Süddeutschen Rundfunks, am 22.3.1987, gewürdigt).
Berthold Schuldt war ein Autodidakt.
Oft schaute er seinem Vater, der Uhrmachermeister war, über
die Schulter und vieles andere erfaßte er instinktiv. Im Jahre 1924
gründete er in seinem Heimatdorf ein Ensemble für Streicher und
Bläser, in dem er die Erste Geige spielte. Im Jahre 1935 rief er ein
Blasorchester, die Feuerwehr-Kapelle, ins Leben. Im Nachkriegsjahr 1946
war es wiederum Berthold Schuldt, der in unermüdlichem, persönlichen
Einsatz die Neugründung der Feuerwehrkapelle möglich machte.
Drei örtlichen Gesangvereinen - dem "Liederkranz", der "Eintracht"
und dem" Arbeitergesangverein" - half er auf die Beine und war auch zeitweise
deren Chorleiter. Erwähnt sei an dieser Stelle, daß Berthold
Schuldt mit den fleißigen "Einträchtlern" zwei Jahre nach ihrer
Gründung im Jahre 1935 auf einem Sängerfest in Bretten einen
viel umjubelten ersten Preis errang.
Später gründete er den Unterhaltungsverein "FIDELITAS".
Dieser kleine Chor lag Berthold Schuldt besonders am Herzen. Mit
ihm widmete er sich besonders der Pflege des Heimatliedes.
Geschichten und Sprüche ranken sich heute noch um ihn und sind
noch lebendig ("Schätza konn fähla").
Die tiefe Verbundenheit mit seinem Heimatdorf und seinen Menschen
muß immer wieder spürbar gewesen sein.
Auch poltisch und sozial war Berthold Schuldt stark engagiert.
Im Kaiserreich aufgewachsen und in den Jahren bis 1933 in der Weimarer
Republik den stetigen Abbau der Demokratie und das Heraufdämmern der
"Neuen Zeit" beobachtend, wurde Berthold Schuldt ein erklärter Gegner
des Nationalsozialismus.
Bei einem Aufmarsch der NS-Formationen zu Hitlers Geburtsag beim
Rathaus und der Kirche, es war im Jahre 1938, verweigerte Berthold Schuldt
mit seiner Feuerwehr-Kapelle das Abspielen der Parteihymne, das Horst-Wessel-Lied,
die als 2. Hymne zu intonieren war. Er war sich des enormen Risikos bewußt,
tat es aber trotzdem.
Auch beißender Spott gehörte zu Schuldts Eigenheiten,
und so wunderte sich kaum jemand, wenn Berthold Schuldt sagte: "In der
Zeitung "DER FÜHRER" ist nur noch wahr, was weiß ist". Glücklicherweise
gab es niemanden im Dorf, der ihn verriet.
Seine soziale Ader zeigte sich auch, als er noch mit 70 mit seiner
Feuerwehr-Kapelle durchs Dorf zog, an vielen Straßenkreuzungen aufspielte
und das hierbei gesammelte Geld der Evangelischen Kirche als Spende für
die neuen Glocken zur Verfügung stellte.
Die beißende Kälte an einem Wintertag machte den Alten krank. Er war vom nahenden Ende gezeichnet. Sein Abschied stand bevor, und auf dem Totenbett war sein letzter Wunsch ein musikalischer Abschiedsgruß seiner Feuerwehr-Kapelle. Jede Note war eine Danksagung an ihn. Seine Hände umklammerten den Taktstock, und Berthold Schuldt ging in eine andere Welt.