Rasuren mit kleinen Blessuren.
Alle werden heute wieder über einen
Kamm geschert. Schuldt
bediente gerade einen dem Knabenalter
entwachsenden
Jüngling, der mit einfachen Hinweisen
an den Meister: "A Bi-
schle steh lassa," nicht mehr zufrieden
sein wollte. Ein Fasson-
schnitt müsse es jetzt sein. Nachdem
Friseur Schuldt mit Duft-
pomade die Haare gezähmt hatte,
fragte er scherzhaft den
Heranwachsenden, ob er wisse, wie die
Haarfarbe der "Alten Deutschen"
gewesen war? "l wais net, Schuldt",
antwortet der Halbwüchsige
und sah ihn gespannt an.
Zwei Falten wurden auf Schuldts Stirn
sichtbar, während er todernst
antwortete:" Däbbele, grau."
Der Mann erschrak, als er in das verpflasterte
Gesicht des
Frischrasierten blickte und fragte
ihn erschrocken: "Was
isch denn mit dir passiert?" Die Antwort
reduzierte sein
Rasurbedürfnis auf ein Minimum:
"Des isch noch
garnix. I konn noch bei Tag hom, awer
dohinn hockt oiner, der
konn wahrscheins garnemme raus".
Durch dieses blutige Ereignis wurde
Schuldts Geschäft über-
haupt nicht negativ beeinflusst. Im
Gegenteil! Gelacht hat man
im Dorf darüber, weil man ihm
einfach nicht böse sein konnte.
Ob bei einer weiteren Episode, die
man sich kurz darauf im Dorf
erzählte, obige Pate stand, wird
nicht mehr herauszufinden sein.
Jedenfalls hätte ein Frischrasierter
bei Schuldt nach der Rasur
ein Glas Wasser verlangt: "Ob er wohl
Durst habe?" war die Frage des Meisters.
"Noi", kam die Antwort zurück,
"l will blos amol spüra, ob mei Hals noch
dicht isch."
Konfrontiert mit dieser neuerlichen
Gruselgeschichte, erwiderte Schuldt lapidar:
"Däbbele, glabs net."
Für die Rasierarbeit wurde Schuldt
mit Naturalien belohnt. Die
Tochter konnte dafür einen Liter
Milch abholen, der damals 10
Pfennige kostete. Schuldt war in dieser
Familie trotzdem ein gern gese-
hener Gast, und es war selbstverständlich,
dem Dortbarbier
ein Glas Most anzubieten, das dieser
nicht abzulehnen pflegte.