"Erscht am Sickinger Wald eikollt"

Eine Anekdote zur Erheiterung

Die Pflicht des Alltags führte den Steinhauer Berthold Schuldt
an seinen Arbeitsplatz im Sulztelder Steinbruchwald.

Den Hin- und Rückweg mußte Schuldt zu Fuss zurücklegen.
Es war Hochsommer, und die Sonne brannte kräftig auf die Rücken und Köpfe
der Steinhauer, so dass deren ohnehin schon mächtiger Durst
noch weiter anwuchs. Rettung brachte der Steinhauerlehrling.
Die zwei Wörter: "I warnde" veranlaßten ihn, die Steinhauer auf
schnellstem Wege mit Bier zu versorgen.
Schuldt freute sich immer auf die Mittagszeit, wenn sein Liebling,
die zwöljährige Erne, mit dem Essentragekännchen zum Steinbruch gelaufen kam.
Sie hat auch für einen anderen Steinhauer noch ein Essenkänn-
chen mitgebracht. Dafür erhielt sie von dem Steinbrucharbei-
ter fünf Pfennige. Die Mutter war schon vor dem Schulhaus
gestanden und hatte nach Schulschluss die Tocher erwartet.
Sie hatte ihr den Bücherranzen abgenommen und ihr den Essens-
korb in die Hand gedrückt, den das Kind so schnell wie möglich zum
Steinbruch bringen sollte. Als Wegzehrung bekam die Tochter noch
ein Stück Brot mit Marmelade bestrichen. Wenn dann der Va-
ter noch einen Rest im Essenskännchen übrigließ, so hat ihn die
Erne gerne gegessen. In dem Essenskorb, den die Tochter
an ihren Vater abgeliefert hatte, befand sich noch eine Botschaft, die
auf einen Handzettel geschrieben war: "Vadder, da Waiza owarem Raitlich isch zeidich,
denn kennamor heid owet schneida, wonnd vom Stoibruch
kommsch." Die Schulds bewirtschafteten schon seit 1904
das Grundstück mit der Nr. 5054, ein von der Freiherrl. Gö-
ler'schen Rentei gepachtetes Grundstück mit einer Fläche
von 8,37 ar.

Die dafür an Martini fällige Pacht betrug 6 Mark, was im
Pachtbuch korrekt quittiert wurde. Schuldt war wegen der nach
Feierabend anfallenden Erntearbeit nicht mürrisch, und als er
heimkam, gings mit Kind und Kegel aufs Feld, und Berthold be-
gann, das Reff zu schwingen. Am Ende des Schneidens wur-
den alle abgebrochenen Ähren, die auf dem Boden lagen,
von Hand aufgelesen. Erst dann durfte der Acker verlassen
werden. Sorgsam wude das Ährenlesen vollzogen. Es ging ja
um das Brot der Familie. Als es schon dunkelte, wurde
der Heimweg angetreten. Die Schwüle des Erntetages wollte
nicht weichen, und die Kehle war wie ausgetrocknet. Dazu
kam noch die unangenehme Überraschung, dass das Most-
fass leer geworden war. Während der kurzen Erholungspause
am Küchentisch wurde der Durst übermächtig, und Schuldt
verließ das Haus in Richtung Oberdorf. Sein Ziel war
das Gasthaus Krone. Dort waren Leute anwesend, die alle im
Dort aufgewachsen waren und so bestens Bescheid wußten.
Nach dem ersten Schluck Weigertbier fragten ihn die Anwesenden,
warum er so spät erst die Krone aufsuche.
Seine Antwort fiel folgendermaßen aus: Jagdpächter Kronenwirt
habe ihn noch aufgehalten und habe ihm über viel über die Jagd erzählt,
u.a. auch davon, daß sich im Gewann Riele die Hasen stark vermehrt
hätten.

"Das brachte mich auf die Idee, selber einen Feldhasen einzufan-
gen". Er hätte den Gedanken gleich in die Tat umgesetzt und
einen Mümmelmann verfolgt, "awer erscht om Sickinger Wald
hawwe da Has eikollt".
Beim Zugriff nach dem Feldhasen entwich ihm dieser
gleich wieder und Haken schlagend flitzte der Hase über die Bahnschienen und ein an-
brausener Zug hat den Feldhasen in zwei Teile gefahren.
Er, Schuldt, hätte noch den Braten gerochen, aber als der
Zug vorüber war, geschah etwas noch nie Dagewesenes:
Die eine Hälfte des Feldhasen mit Kopf und Vorderläufen rannte
Richtung Sickingen, während Hinterläufe und Schwanz die
Zaisenhausener Richtung einschlugen.
So sei es gewesen.
Wer`s glaubt?