Die Lebensgeschichte von Berthold Schuldt orientiert sich nicht an
einem chronologischen Aufbau.
Die zu schildernden Episoden sind austauschbar.
Heute wird ein Lebensabschnitt von Schuldt herausgegriffen,
der ihn in seinem Können als Chordirigent zeigt.
Der in seiner Heimat und seiner Musik tief verwurzelte Schuldt
ist in viele Bereiche einfach hineingewachsen, hat sie mit
leichter Hand erobert und gestaltet.
Der kleine Chor "Fidelitas" war ihm besonders ans Herz gewachsen.

HEIMAT UND GESANG GEHÖREN ZUSAMMEN

So wie es damals war, wünschen sich heute alle Chöre im
Dorf, daß die Menschen wieder vom Singfieber erfaßt werden.
 

Schuldt war es, der mit seiner ansteckenden Liebe zum
Lied viele in Sulzfeld begeisterte. Während seiner Dirigentenzeit
gab es nie Mangel an Sängern.

Heimatlieder wollte er singen. Heimatlieder, das gewachsene
Gut in der Idylle, melodische Klänge, die ins Herz gingen, die
Sorglosigkeit, Lebensmut und Daseinsfreude ausstrahlten.

Es war die Zeit nach dem ersten Weltkrieg, wo die Menschen
hungrig waren auf Singen, Tanzen und Vergnügtsein.
Schuldt wußte, daß Menschen gerne singen und jeder eine Stimme hat,
die kein Geld kostet.
Angesteckt von Schuldts Begeisterung fand sich bald
eine Sängerschar zusammen. Sie wollten zusammen sin-
gen, mit Menschen aus allen Berufen. Weitere junge Leute ge-
sellten sich dem Fidelitas zu, und bald eroberten sie die örtli-
chen Bühne und spielten auch Theater. Die Geburt des Un-
terhaltungsverein "Fidelitas" war vollzogen. Oberlehrer Geiß
und Berthold Schuldt waren die Seelen des Vereins.
Die  Sängerrunde gewann schnell an Beliebtheit im Dorf.
Schuldt hatte das Heft fest in der Hand, und es ge-
lang ihm in kurzer Zeit, Lied für Lied zu erarbeiten. Sie
sangen fast ausschließlich schlichte Volkslieder, die aber durch
ihre Darbietung viele Menschen tief bewegten.
Als Schuldt nach dem Ausbildungsstand seines Fidetitas be-
fragt wurde, gab er eine lobende Antwort: "Däbbele, die häwa
fascht koin Schwachpunkt."
So war es auch. Der Chor beherrschte bald ein breites
Spektrum, und seine Darbietungen wurden überschwenglich
gefeiert.
Nachfolgend der Text eines der Lieblingslieder des Chores.
Es wurde vierstimmig vorgetragen.

Wieder ziehen fort die Schwalben,
und der Herbstwind rauscht durchs Land,
kehrt ein Wanderer heim nach Jahren,
der noch keine Ruhe fand,
eine hat ihm Treu versprochen,
als er muß von dannen ziehen,
kann sein Lieb nicht finden,
dann auf ewig fahre hin.

Berthold Schuldt verstand es, seine Männer zu motivieren und
bei Laune zu halten. Er fand immer ein verbindendes Wort
und seine scherzhaften Bemerkungen waren nie verletztend.
Zum Schluß der Chorprobe stimmte Dirigent Schuldt ein "Evergreen"
aus ihrem Repertoire an, das die Sänger besonders gerne san-
gen. Diese abschließende Harmonie weckte bereits die Vorfreude
auf die nächste Singstunde.

Unser Gewährsmann wußte noch in Einzelheiten zu berich-
ten, wie Schuldt mit seinen Fidetitas-Sängern für verliebte
Mädchen zu nächtlicher Stunde ein Liebeslied darbrachte.
Dazu rückten sie still und leise in die Nähe des Schlafzim-
mers der Auserwählten.

In einer Nacht hätten sie bei zehn Ständchen
immer das gleiche Liebeslied angestimmt.

Ständchensingen gehörte im Dorf zu Sitte und Brauch.
Tief in der Nacht verklang oft das letzte Ständchen im Oberdorf
an einem Patrizierhaus. Dort stand ein Sechskant-Teichel-
brunnen, um den sich die Sänger gruppierten. Sie
hatten in dieser Nacht dem Alkohol gut zugesprochen.
Vielleicht war dies der Grund, daß Schuldt nicht ganz zufrieden war.
Er winkte schließlich entschlossen den nächtlichen Gesang ab.
Am Tage darauf wurde er von einer Mutter, die glaubte, auch eine verliebte
Tochter zu haben, aber von einem Ständchen bisher unbedacht
blieb, nach der Resonanz des Ständchensingens befragt.
Schuldts Antwort war wiederum bezeichnend für ihn: "Däb-
bele, d'Großmodder isch am Fenschderkreiz uttdaucht un hat
sich für des nächtliche Liebesgeflüster mit drei Wort bedankt;

"D'Frieda schloft hinnanaus."